Karneval Zurzeit ist er wieder ausgebrochen, dieser Volksbelustigungszeitraum, den man als Rheinländerin eigentlich uneingeschränkt lieben müsste.... Mhm... Tja - ich bin nicht nur in Griechenland ein Querdenker - ich betrachte auch manches hiesige mit einem gewissen Abstand und einer gewissen Skepsis.
Ich bin zwar gerne eine Frohnatur und verfüge auch über ein gewisses Temperament, aber ich kann mich keineswegs über blödsinnige und oft abgedroschene Witzchen amüsieren, über ständig wiederkehrende Melodien und Liedtexte, über vollgestopfte Straßen, in denen volltrunkene Gestalten herumrandalieren und über ein Menschlichkeitsgetue welches während des ganzen Jahres keineswegs gelebt wird. Und ich mag mich auch nicht von wildfremden Kerlen abbützen (küssen) lassen. Es gibt allerdings hin und wieder mal ganz gelungene Büttenreden (hier sind die Mainzer Spitze!)und auch mal einen netten Schlager (das kriegen die Kölner besser hin!), wie z.B. "Echte Fründe stonn zesamme" (Echte Freunde stehen zusammen). Ich bekomme die "Karnevalitis" immer zwangsläufig mit, weil Mutter und Mann (der Grieche mag das!) die entsprechenden Fernsehsendungen einschalten. Gleich ist es wieder soweit und ich habe mich im Compi-Raum verbarrikadiert, um lieber diesen Text zu verfassen. Natürlich haben die alten Griechen wie - vieles andere - auch den Karneval erfunden: Schon mal was von den Dionysien gehört? Festspiele zu Ehren des Weingottes? Nein? Daraus soll - nach heutiger Interpretation - das Theater entstanden sein. Nein - Leute - ich schweife nicht ab. Meine jüngere Freundin brachte mir vor inzwischen einigen Jahren einen Text, in welchem den Schülern der 12. Klasse die Entstehungsgeschichte des griechischen Theaters beschrieben wurde. Bei den Schilderungen zu den "Dionysien" wurde ich stutzig und dachte: " Das ist doch unser Karneval". Der Text ist im Universum dieses Hauses hier gut verstaut verlorengegangen und daher zurzeit nicht (und wahrscheinlich nie wieder) greifbar. Was also waren die Dionysien? Mehrere Tage währende Festspiele zu Ehren des Gottes Dionisos, in deren Verlauf man sich vollsoff, Masken aufsetzte um nicht erkannt zu werden und sich von jedem Bock bespringen ließ... NEIN - der letzte Halbsatz ist NICHT auf meinem geistigen Mist gewachsen - das war wirklich so - also zumindest wenn es stimmt, was die Geschichte-, bzw. Geschichten-Erzähler jahrhunderte-, bzw. jahrtausendelang weitergegeben haben. DAS war's so hauptsächlich, was mich doch stark an unseren heutigen und hiesigen Karneval erinnerte. Ich zitiere jetzt der Einfachheit halber den Text aus einem meiner Bücher: --- --- --- ... Der Gott Dionysos wurde überall in Griechenland verehrt. Typisch für seinen Kult war, daß der Gläubige in eine Art Delirium fallen mußte, um dann die Erfüllung zu erlangen. (Was damit gemeint war, verschweigt der Text - muß ja auch immer möglichst Schulkinder-tauglich bleiben, was man da so vom klassischen Griechenland erzählt...) Der Ritus hatte einen ausschweifenden Charakter (?!) und seine Feste endeten oft in Orgien ("Was ist das?" - "Still, Kind, erzähl' ich Dir in 10 Jahren"), bei denen Frauen eine tragende Rolle zuviel (?!!!). Die Kultplätze befanden sich meist auf Berggipfeln und die beste Zeit für seine Anbetung war die Nacht. Theben, seine Geburtsstadt, besaß kein Heiligtum für ihn. Das größte Fest zu seinen Ehren, die "Trieterika" wurde auf dem Berg "Kithäron" während der Nacht und mit Hilfe von Fackeln gefeiert. Es war ein Frauenfest (Weiberfastnacht...). Bei der Prozession trugen die Frauen, die sich Maenaden oder Bacchantinen nannten (die Römer nennen ihren Weingott später Bacchus...), Hirschfelle über ihren Kleidern, Efeukränze schmückten ihr Haar, das lang über ihre Schultern fiel. Zu Trommelschlägen tanzten sie extatisch und wie wahnsinnig erklommen sie singend den Berg und riefen den Namen des Gottes an: "Oh Bacchantinen kommt, oh kommt, singt zu Dionysos, singt zu den Trommeln, verehrt ihn freudig, ihn, der uns die Freude bringt..." Feste zu Ehren des Dionysos wurden seit dem Beginn des 6. Jahrhunderts vor Christus veranstaltet. Das wohl schillerndste Fest wurde in Attika gefeiert. Es bestand aus den "kleinen" und den "großen" Dionysien. Die "kleinen Dionysien" hatten einen bäuerlichen Charakter, weil Dionysos auch der Gott der Landwirtschaft war. Plutarch gibt folgende Beschreibung über die Prozession: "Zuerst kam eine große Amphore, gefüllt mit Wein und verziert mit einem Weinstockzweig. Danach folgten ein Bock, ein Korb mit Feigen und zum Schluß das heilige (???) Symbol, ein riesiger (!!!) Phallus." Während der "großen Dionysien" fanden viele Zeremonien statt. Die wichtigste war, daß die Kultstatue "Xoanon" des Gottes durch die Stadt, von seinem Tempel zu einem anderen Heiligtum, getragen wurde. Es war eine große Prozession, an der Ehrenbürger der Stadt, Priester, Reiter und einfache Bürger und Mädchen aus guten Familien, die Körbe mit Geschenken trugen, teilnahmen. (Rosenmontagszüge!)... Männer, als Satyre und Silenen verkleidet, tanzten um die Statue des Gottes und der Chor sang, begleitet von Flöten, Hymnen ("Dithyrambos") zu Ehren des Gottes. Die Prozession führte durch die Agora von Athen, zur südlichen Seite der Akropolis zum Heiligtum des Gottes, wo sich auch sein Theater befindet. Dies ist das älteste Theater der Welt und noch heute sind Reste davon erhalten. Die Aufführung begann mit einem Wettbewerb der besten "Dithyramben". Die berühmtesten Gedichte Griechenlands und vielleicht die bekanntesten der ganzen Welt, wurden zu ehren des Dionysos geschrieben. (...da wären wir nun also beim Theater angekommen...) Später, während der klassischen Periode, dauerte der Dramen-Wettbewerb wenigstens vier Tage lang. Es waren Wettbewerbe mit Preisrichtern und Gewinnen. Dies war die Geburtsstätte der unsterblichen Tragödien des Aeschylos, Sophokles, Euripides und der Komödien des Aristophanes. ... --- --- --- Satyr: die Wald- und Quell-Gottheit, dargestellt als Ziegenbock-Mensch-Mischling, entspricht unserem Bild des Teufels, nur lässt man im hiesigen Kulturkreis die Darstellung des übergroßen Geschlechtsorganes weg. Silen: so wie ich es verstehe, ungefähr das gleiche wie Satyr - ein trunkener, dickbäuchiger glatzköpfiger Alter - Begleiter des Weingottes. --- --- --- Alaaf, Helau und Freut-Euch-des-Lebens... - aber das ganze Jahr lang und vergesst die Liebe nicht - und zwar nicht die, die man seit jahrtausenden immer mit Sex verwechselt - sondern die alltägliche zu Euren Freunden und Nachbarn, zu Euren Kindern und zu Euren geliebten Männern, bzw. Frauen - und zwar das ganze Jahr lang !!! Im Sinne von einem ebenfalls gelungenen Karnevalslied "drink doch eene mit" trink' ich jetzt ein Glas Rotwein auf alle, die wissen und leben was Freundschaft ist und die sich auch ohne festgelegte Daten und Riten freuen, die lachen und feiern können: Prost !!! Martina Nachtrag: Wißt Ihr eigentlich daß der organisierte Karneval eine todernste Angelegenheit ist? Wenn man zu den "großen Tieren" einer hiesigen Stadt gehören will und glaubt, diverse geschäftliche Vorteile genießen, bzw. entwickeln zu können, muß man Mitglied in einem Karnevalsverein sein. Demzufolge finden sich darin die humorlosesten Typen, die zum Lachen in den Keller gehen. Kennt ihr das griechische Wort: "Messo" ? Übersetzung: "Klüngel"! Übersetzung auf hochdeutsch unmöglich. Da passt auch noch das griechische "Rousfetti". Erklär' ich für die Nicht-Griechen und Nicht-Rheinländer ein anderes Mal - hierdrunter als Antwort. Wär' mir allerdings auch sehr Recht, wenn das ein Grieche machen würde, ein solcher kann das doch wohl besser als ich und mein seit 25 Jahren eingedeutschter Gatte.
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